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Gemeinwohl-Ökonomie in spanischem Wirtschaftsförderungsgesetz!

ValenciaPlaza_Rafa Climent_Paco Alvarez.jpgWirtschaftslandesrat Rafa Climent und Experte und GWÖ-Botschafter Paco Alvarez (Credit: ValenciaPlaza)

Blogbeitrag von Christian Felber

Das Ministerium für Nachhaltige Ökonomie, Produktivsektoren, Handel und Arbeit der Autonomen Region („Bundesland“) Valencia veröffentlichte am 1. Februar einen Erlass (2/2017) zur Förderung von sozialen Unternehmen und der Gemeinwohl-Ökonomie

Der Erlass („orden“), der am 1. Februar 2017 im Amtsblatt („Diari Oficial“) der Regierung von Valencia („Generalitat Valenciana“) veröffentlicht wurde, „errichtet die regulatorische Basis für die Gewährung von Beihilfen zur Förderung der nachhaltigen Ökonomie“.

Die Verordnung ist 25 Seiten stark und umfasst 28 Artikel. Der Begriff Gemeinwohl-Ökonomie („Economía del Bien Común“) kommt im Text 41-mal vor, der Begriff Gemeinwohl-Bilanz („Balance del Bien Común“) elfmal, der Begriff Gemeinwohl-Matrix („Matriz del Bien Común“) dreimal und der „lose“ Begriff Gemeinwohl zusätzlich neunmal. Insgesamt findet sich der Begriff „Gemeinwohl“ damit im Erlass 64-mal.

In der Präambel spricht die Verordnung von „der Transformation des Wirtschaftsmodells in der Region Valencia“. Sie beschreibt die Gemeinwohl-Ökonomie als „ein Modell zur Errichtung eines stabilen Sozial- und Wirtschaftssystems, das eine ethische und nachhaltige Marktwirtschaft entwickelt und das auf denselben Grund- und Verfassungswerten beruht, die von den Menschen als universal anerkannt werden: Menschenwürde, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Transparenz und demokratische Partizipation“.

Sie bringt die Gemeinwohl-Ökonomie in Verbindung mit Artikel 128 der spanischen Verfassung, demzufolge „der gesamte Reichtum des Landes in seinen unterschiedlichen Formen (…) dem Allgemeininteresse untergeordnet ist“. Des Weiteren zitiert die Verordnung den Beschluss des EU-Wirtschafts- und Sozialausschusses zugunsten der Gemeinwohl-Ökonomie. Ebenso verfährt sie mit der Begründung für soziale Unternehmen und die Sozialökonomie. Fazit: „Aus den genannten Gründen wird versucht, mit dieser Verordnung die nachhaltige Ökonomie zu stärken, durch die Förderung und Verbreitung der Kultur und Praxis ihrer beiden wichtigsten Erscheinungsformen Gemeinwohl-Ökonomie und soziale Unternehmen.“

Der Erlass definiert zwölf Begriffe, darunter „Gemeinwohl-Ökonomie“, „Gemeinwohl-Bilanz“ und „Gemeinwohl-Matrix“.

Als förderungswürdig werden drei Entitäten definiert:

1. Vereine, Stiftungen und andere gemeinnützige Einrichtungen, die sich der Förderung von sozialen Unternehmen und der Gemeinwohl-Ökonomie verschreiben.

2. KMU, die Praktiken von sozialen Unternehmen und der Gemeinwohl-Ökonomie umsetzen.

3. Bildungseinrichtungen, welche die nachhaltige Ökonomie, soziale Unternehmen und die GWÖ beforschen oder diese lehren.

Bei Vereinen und Stiftungen werden insbesondere Tagungen, Kongresse, Vorträge und Podiumsdiskussionen gefördert (Art. 4.1.a), „Aktivitäten der Verbreitung, die der besseren Sichtbarkeit von sozialen Unternehmen und der Gemeinwohl-Ökonomie dienen“ (Art. 4.1.b) sowie soziale Innovationen und Sozialunternehmer*innentum unterstützen.

Bei KMU wird die Erstellung von Nachhaltigkeitsberichten gefördert „wie zum Beispiel einer Gemeinwohl-Bilanz (…) um den ethischen Erfolg einer Organisation und ihren Beitrag zum Gemeinwohl zu messen“ (Art. 4.2.a).

Bei Bildungseinrichtungen werden „Aktivitäten der Grundlagenforschung zur Gemeinwohl-Ökonomie, von sozialen Unternehmen und Innovationen sowie Impulse für die anwendungsorientierte Forschung in diesen Bereichen“ gefördert, konkret

  • „vertiefende Forschung zu den Konzepten und Werten, die den Modellen zugrunde liegen“;
  • die „praktische Anwendung der in den Modellen enthaltenen Instrumente, wie zum Beispiel eine Methodologie zur Messung des Beitrags eines Unternehmens zum Gemeinwohl, die Erstellung einer Gemeinwohl-Bilanz und ähnliche Werkzeuge“;
  • „Forschung und Studien zum realen Beitrag von sozialen Unternehmen und der Gemeinwohl-Ökonomie zu den wichtigsten makroökonomischen Aggregaten, sowie ihr Mehrwert im Vergleich zu anderen Unternehmensmodellen, ihre Auswirkungen auf die Resilienz und ihr Bezug zu sozialen Innovationen und Unternehmer*innentum“;
  • „Erstellung von Statistiken und Entwicklung von Indikatoren, die zu einer besseren Sichtbarkeit und Anerkennung von sozialen Unternehmen und Social Entrepreneurship führen“;
  • Fachausbildung in den Bereichen Sozialunternehmer*innentum und Gemeinwohl-Ökonomie“.

In den Artikeln 18 bis 20 werden die genauen Ausgaben der drei geförderten Entitäten aufgelistet, deren Erstattung beantragt werden kann (darin besteht die Förderung).

Bei gemeinnützigen Vereinen und Stiftungen (Art. 18) zählen dazu: Raummieten, Unterrichtsmaterial, Bezahlung von Vortragenden, Gebrauchsgüter, Transporte, Handwerk, Overhead (5%) u. a. Je Förderantrag werden bis zu 120.000 Euro an Kosten erstattet.

Bei KMU (Art. 19) wird vor allem die Erstellung und Publikation von Nachhaltigkeitsberichten „mit spezieller Präferenz für die Gemeinwohl-Bilanz“ gefördert. An dieser Stelle wird die Gemeinwohl-Bilanz prominent zum Referenz-Standard des Erlasses definiert. Sämtliche in der EU-Richtlinie über nicht-finanzielle Berichterstattung erwähnten Berichtsstandards werden nur als Ersatzoption referenziert. Unter Art. 19.1.d wird explizit das Audit z. B. von Gemeinwohl-Berichten als förderwürdig definiert. Wichtiges Detail: Um ein Gemeinwohl-Bilanz-Audit durchführen zu können, müssen die Auditor*innen vom valenzianischen GWÖ-Förderverein zertifiziert sein (Art. 19.6). Je Unternehmen werden bis zu 15.000 Euro Kosten erstattet.

Bei Bildungs- und Forschungseinrichtungen (Art. 20) wird eingestelltes Fachpersonal, bewegliches Material, Reise- und Übernachtungskosten, Diäten und weitere Ausgaben wie das Abonnement von Zeitschriften mit bis zu 100.000 Euro je Antragsteller*in gefördert.

Das vom Parlament  für diese Förderzwecke freigegebene Budget beträgt 470.000 Euro. Für Juni ist der nächste Erlass geplant, diesmal für Investitionen, mit einem höheren Volumen. Der Erlass trat am 2. Februar 2017 in Kraft. Anträge müssen innerhalb einer Frist von höchstens sechs Monaten nach der jeweiligen Ausschreibung beantwortet werden.