Herrenberg & Gäu

Wie passt Ethik und Politik zusammen?

vortrag_april2019.jpgBennet Melcher und Anna Depernay-Grunenberg bei der GWÖ-Veranstaltung im Herrenberger Keller des Klosterhofs.

Herrenberg: Neugegründete GWÖ-Regionalgruppe bekommt hohen Besuch
Bennet Melcher 02.04.19

Zum Wochenstart ist mit Anna Deparnay-Grunenberg nicht nur eine Kandidatin für Europa, sondern eine ausgesprochene „Gemeinwohl-Ökonomie“-Botschafterin, Gast im Gewölbekeller des Klosterhofes in Herrenberg gewesen. Wirtschaften – im Sinne des GEMEINWOHL war der offizielle Titel, den über siebzig interessierte Bürger*innen verfolgen konnten. Bei der anschließenden Podiumsdiskussion blieb auch genügend Raum um globale und lokale Themen zu erörtern.

Was unsere Art zu wirtschaften mit dem Klimawandel und dem Verlust der Artenvielfalt zu tun hat und vor allem was wir politisch anders machen können wollte Anna Deparnay-Grunenberg bei Ihrem Vortrag im Klosterhof vermitteln. Und das tat sie auch in

vortrag_april2019_2_small.jpgGut besuchter GWÖ-Vortrag am 01.04.2019 im Klosterhof.

ihrer charmanten und direkten Art. Auf Einladung der Gemeinwohl-Ökonomie (GWÖ) Regionalgruppe Herrenberg hatte sie ihren Weg in die „Mitmachstadt“ gefunden. Unterstützung fand man selbstverständlich von Bündnis90/DieGrünen. Schnell wurde allerdings allen Anwesenden klar, dass dieses Thema überparteilich angegangen werden muss.

Mit der Frage: „Wie können wir leben, damit die Lebensgrundlage für die künftigen Generationen noch vorhanden ist?“ beschäftigt sich Frau Deparnay-Grunenberg bereits seit mehreren Jahren. Und so begann der Vortrag auch gleich mit den 17 Zielen für nachhaltige Entwicklung der UN. Mit der  Agenda 2030 drückt die internationale Staatengemeinschaft ihre Überzeugung aus, dass sich die globalen Herausforderungen nur gemeinsam lösen lassen. Die Agenda schafft die Grundlage dafür, weltweiten wirtschaftlichen Fortschritt im Einklang mit sozialer Gerechtigkeit und im Rahmen der ökologischen Grenzen der Erde zu gestalten. Nachhaltige/r Konsum und Produktion ist nur einer der umzusetzenden Ziele. Es geht um die Schaffung einer neuen Kultur der Nachhaltigkeit, in der Staat, Wirtschaft und Gesellschaft insgesamt zum Wandel beitragen müssen. Und genau dort setzt auch die "Gemeinwohl-Ökonomie" an.

Die GWÖ bezeichnet ein Wirtschaftssystem, das auf gemeinwohl-fördernden Werten aufgebaut ist. Sie ist ein Veränderungshebel auf genau den drei Ebenen – der wirtschaftlichen, der politischen und der gesellschaftlichen. Das Wohl von Mensch und Umwelt wird zum obersten Ziel des Wirtschaftens. Bei der Gemeinwohl-Ökonomie handelt es sich also um ein auf Ethik gegründetes Wirtschaftssystem. Themenbereiche wie Demokratie, Solidarität, ökologische Nachhaltigkeit, soziale Gerechtigkeit, Transparenz und Menschenwürde, erklärte die Vorsitzende der Stadtratsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen in Stuttgart, seien fest in dem Modell verankert. Dieses System greife bereits erfolgreich in vielen Unternehmen, Stiftungen, Banken, Schulen und Gemeinden in und um Stuttgart. Wirtschaftliche Ethik ist mittlerweile ein Aushängeschild für Unternehmen, so Anna  Deparnay-Grunenberg. Die Handwerkskammer Stuttgart hat es verstanden und glücklicherweise ein GWÖ-Projekt mit der CDU-Gemeinderatsfraktion in die Wege geleitet. Auf kommunaler Ebene sollten GWÖ-bilanzierte Firmen finanziell oder mit Aufträgen unterstützt werden. Am Beispiel der Landeshauptstadt legte sie offen, wie der Weg in Herrenberg gegangen werden könnte. Zuerst müsse über die Wirtschaftsförderung eine Veranstaltungsreihe ins Leben gerufen werden. So würde man die GWÖ-Idee nicht einseitig politisch transportieren. Spezifische Workshops müssten für fachspezifische Gruppen angeboten werden. Und Motivation und Unterstützung müsste ganz klar auch von Seiten der Stadt aufgebracht werden. Ein Drittel unserer Wirtschafskraft liegt in öffentlicher Hand. Auch wenn die rechtlichen Rahmenbedingungen beim neuen EU Vergaberecht noch etwas schwammig sind, so braucht es auch hier etwas Mut, dass nicht immer der günstigste Anbieter ausgewählt werde, bekräftig die Europa Kandidatin. Auch könnte eine Einstiegsbilanz nach der Gemeinwohl-Ökonomie von Seiten der Stadt gefördert werden. Am Beispiel Salzburg wurde ersichtlich, dass dort schon Firmen bevorzugt würden, die eine GWÖ-Bilanz vorwiesen. Weitere deutsche Städte wie Mannheim und Konstanz seien nun in der GWÖ-Ini­tiierungsphase. „Auch Forst BW soll als erstes landeseigenes Unternehmen diesen Pionierweg einschlagen“, endete die Stadträtin ihre Ausführungen.

Im Anschluss wurden noch eingängig Fragen beantwortet und es blieb Raum sich auszutauschen. Mit einem mittelständischen Unternehmen fand man auch prompt einen ersten Interessenten für die Umsetzung einer  GWÖ-Bilanz. Weitere Privatpersonen schienen nicht abgeneigt sich der Regionalgruppe anzuschließen. Politisch wolle man die Gemeinwohl-Ökonomie im Leitbild 2030 der Stadt Herrenberg integrieren. Mitgründer der GWÖ-Regionalgruppe Herrenberg, Bennet Melcher, war sichtlich zufrieden mit dem Abend und würde sich auch weiterhin dafür stark machen, dass dieser ethische Ansatz einen festen Platz in seiner Mitmachstadt erhalten würde. „Wir haben die Kraft die Welt zu verändern“, so begann schließlich auch Anna Deparnay-Grunenberg ihren Vortrag und diese Kraft spürte man förmlich im vollbesetzten Veranstaltungsraum.

Was haben wir als nächstes zu erwarten?

02.04.19 Bennet Melcher – Mitgründer der GWÖ-Regionalgruppe Herrenberg und Kandidat für den Gemeinderat Freie Wähler